Gönnen können - eine eiskalte Winterkampagne
12.10.2022
Carp Lakes Advanced
Ein gewichtiger Schuppi deutlich über 25 Kilo, der seine Runden in einem kleinen Vereinsteich dreht – den will Nils Thönnes unbedingt fangen. Es wird eine winterliche Zielfischjagd mit einer unerwarteten Wende.
Die Zielfischjagd, also das Angeln auf einen ganz bestimmten Karpfen – für mich war das absolutes Neuland. Wenn ich ein Gewässer befische, wollte ich schon immer den größten Fisch darin fangen. Da bin ich nicht anders gestrickt, wie die meisten Karpfenangler. Aber bisher war es für mich eher der Weg zu diesem Fisch, der mein Hobby spannend machte. Zumal ich an den ausgedehnten Flüssen oder Kanälen, die ich in der Vergangenheit befischt habe, schon aufgrund ihrer großen Wasserfläche nur auf mein Glück hoffen konnte, dass der eine Riese irgendwann beißt.
An einem kleinen, nur wenige Hektar großen Vereinstümpel sieht die Sache anders aus. Schließlich kann selbst der eine große Fisch nie kilometerweit weit weg sein.
So ist es auch an dem kleinen See, den ich im Spätherbst 2019 zum ersten Mal befischt habe. Neben haufenweise kleiner Schuppis und ein paar Fischen über 15 Kilo dreht dort ein großer Schuppi jenseits der 25-Kilo-Marke seine Runden. Er ist der unangefochtene König des Sees.
Diesen einen Riesen zu fangen, war mein erklärtes Ziel – nicht zuletzt, weil er durch seine Größe so deutlich aus der Masse der übrigen Fische hervorsticht.
So einfach wie es auf den ersten Blick aussehen mag, war es jedoch nicht. Das sehr verwinkelte Gewässer mit verkrauteten Buchten, steil abfallenden Uferkanten sowie weitgehend schlammigem Gewässerboden und vielen versunkenen Bäume machten meine Wahl eines aussichtsreichen Angelplatzes, trotz für mich ungewohnt kleiner Wasserfläche, nicht leichter.
Intuitiv entschied ich mich für eine kleine Ausbuchtung. Auf einer Wasserfläche von vielleicht 30 x 30 Metern liegen hier gleich mehrere versunkenen Bäume im Wasser. Da könnte sich der große Schuppi verstecken. Hoffte ich.
Zwei Optionen
Meinen anvisierten Angelspot vor den versunkenen Bäumen konnte ich locker anwerfen. Dafür hatte ich zwei Optionen: Entweder die Bäume von der gegenüberliegenden Seite der Bucht über zehn Rutenlängen frontal anwerfen oder mein Rig vom anderen Ufer aus direkt am Baum ablegen und dann mit offenem Schnurfangbügel und der Rute in der Hand ein paar Meter zu meinem Angelplatz zurücklaufen.
Die Rute so abzulegen wäre die bequemere Variante. Aber wenn ich so nah vor den versunkenen Ästen fische bleibt mir mit geschlossener Rollenbremse kaum Puffer, wenn ich nicht wenigstens einige Meter dvon entfernt sitze. Und wie sollte ich einen gehakten Fisch aus dieser Position daran hindern, in das überhängende Geäst zu flüchten?
Ich wählte die zweite Option und warf die Bäume von der genau gegenüberliegenden Seite der Bucht aus an. So würde ich die ausliegenden zehn Rutenlängen Schnur in Kombination mit der Rutenbiegung als Dehnungspuffer nutzen können. Das sollte das Risiko von Ausschlitzern minimieren. Außerdem wäre es von gegenüber leichter, einen gehakten Fisch zu kontrollieren.
Ein weiterer Aspekt war die zu erwartende Unruhe am Angelspot. Würde ich die Rigs von der Seite aus ablegen, müsste ich einen gehakten Fisch mehr oder minder auf dem Spot ausdrillen. Das minimiert ganz sicher meine Chancen auf einen weiteren Biss.
Baileys und Dosenmais
Von Beginn an versuchte ich, neben dem Wochenende auch unter Woche zumindest eine Nacht zu angeln. So war ich häufiger vor Ort und besser informiert, was am See passiert. Sowieso wollte ich nicht ganz unvorbereitet an die Sache herangehen. Alle zwei Tage verteilte ich zwischen den ins Wasser hängenden Ästen wenige hundert Gramm Futter. Gerade genug, damit die Fische regelmäßig etwas Fressbares finden und Vertrauen in mein Futter aufbauen, gerade nicht so viel, dass etwas für die ewig hungrigen Wasservögel übrig bleibt.
Mein Futter bestand aus in Baileys gesoakten Boilies und Dosenmais. Diese Kombi hatte sich in ähnlichen Situationen bei kaltem Wasser schon bewährt. Dank ihrer offenen Struktur saugen meine Boilies den Likör auf wie ein Schwamm und geben im Wasser ständig etwas davon ab. Die im Likör enthaltende Sahne erzeugt dann auf dem Grund des Sees eine süße, attraktive Wolke.
Beim Angeln selbst fütterte ich genauso viele Köder, wie im normalen Futtermodus. Ich wollte keinen Unterschied zu den Tagen machen, an denen die Fische ohne die Gefahr gehakt zu werden sicher fressen können.
Allerdings verteilte ich mein Futter beim Angeln nicht unter den Ästen, sondern davor. So wollte ich die Fische aus ihrem Versteck locken, damit ich sie nach dem Biss nicht sofort im Geäst verliere.
Als Hakenköder verwendete ich gesoakte schwerelose Köder oder kleine Bodenköder mit einem gelben Fakecorn oder Pop-Up obendrauf.
Es läuft...
Mein Platz lief schnell an. Zumindest konnte in den ersten paar Nächten eine Handvoll kleiner Schuppenkarpfen landen. Und ich schaffte es tatsächlich, die gehakten Fische daran zu hindern, in das ins Wasser hängende Holz zu flüchten. Soweit schien mein Plan aufzugehen. Allerdings gab es noch eine unerfreuliche Überraschung: Am Ausgang der kleinen Bucht musste noch irgendetwas im Wasser liegen. Denn dort konnten sich ein paar meiner Fische während des Drills fest schwimmen. Zwar bekam ich alle Fische wieder frei, aber ich musste zukünftig aufpassen. Nicht auszudenken, wenn ich dort meinen Zielfisch verliere.
Von einem anderen Vereinsmitglied erfuhr ich später, dass dort in etwa sechs Metern Tiefe ebenfalls ein Baum liegt. Na super.
Inzwischen hatten wir Mitte Dezember. Sollte ich da noch einmal neu anfangen und meinen an sich gut laufenden Platz aufgeben?
Das kam nicht in Frage, ich hielt an meiner bisherigen Futtertaktik mit regelmäßig kleinen Futtermengen fest.
Endlich ein Dicker
Meine nächste Session startete ich gemeinsam mit einem Freund. In der dunklen Jahreszeit eine mehr als willkommene, moralische Unterstützung.
Er kam erst spät abends am See an und befischte den offenen Teil. Ich hatte derweil an meinen Futterplatz gegenüber der Bäume bereits aufgebaut.
Mein ersehnter Biss von einem Fisch, der sich von Anfang an besser anfühlte als alle anderen, kam noch am frühen Abend – gerade in Dämmerung.
Und diesmal ging alles glatt. Nach den ersten heftigen Fluchten konnte ich den Fisch vor den Füßen ausdrillen und erfolgreich landen. Mit 18 Kilo endlich einer der größeren Fische.
Weitere Aktionen blieben danach zunächst aus, erst spät in der Nacht bekam ich eine zweite Chance. Leider stieg dieser Fisch irgendwann aus.
Danach war bei mir endgültig Ruhe.
Mein Spannmann bekam am frühen Morgen noch einen der kleinen Fisch ans Band und war damit auch entschneidert. Ich war froh, dass er ebenfalls einen Fisch gefangen hatte. Für Mitte Dezember kein schlechtes Ergebnis.
Eine Woche danach konnte ich in ein paar Tagessessions noch einen weiteren Fisch fangen.
Abangeln
Meine letzte Session für 2019 startete ich am 30. Dezember – selbstverständlich mit der latenten Hoffnung, meinen Zielfisch, den Topfisch des Sees als krönenden Jahresabschluss zu fangen.
Wieder begleitete mich ein Kumpel. Mit Aussicht auf den Jahreswechsel wollten wir beim Angeln etwas Leckeres kochen und dazu ein paar Tässchen Glühwein trinken.
Entspanntes Abangeln sozusagen.
Weil mein Kumpel nur sein „leichtes“ Ruten-Setup dabei hatte, ließ ich ihn auf der Stelle angeln, an der ich zuvor meine Fische gefangen hatte. Dort musste er nicht weit werfen und konnte einen aussichtsreichen Bereich beangeln. Auch wenn er mit seinen 2 ¼ lbs Ruten sicherheitshalber zwei Meter weiter vor den Büschen angelte, hatten wir ein gutes Gefühl.
Ich befischte an dem Abend die Stelle im Freiwasser, auf der mein anderer Kumpel vor zwei Wochen den Fisch gefangen hatte.
Wie ein Sack Mehl
Als ich am frühen Abend den Glühwein ansetzte und wir gerade an meinem Zelt standen, bekam mein Kumpel einen zaghaften Biss. Sein Hanger wanderte unter den Blank, die Rutenspitze wippte ganz vorsichtig. Dieser Biss war komplett anders als die Bisse zuvor. Natürlich war Winter, da sind die Fische träge. Aber auch sonst war irgendwas anders, das spürte ich sofort.
Mein Kumpel nahm seine Rute auf und bugsierte den Fisch gleich von den Ästen weg. Danach ging die eigentliche Tortur los. Schwerfällig wie ein Sack Mehl schwamm der gehakte Fisch in Grundnähe seelenruhig seine Bahnen. Mehrere Male musste mein Kumpel den Fisch von dem versunkenen Baum im Freiwasser weghalten. Derweil ahnte ich schon, was er da gehakt hatte.
Als der Fisch dann das erste Mal an die Oberfläche kam, bestätigte sich meine Vorahnung: Da war er, der größte Fisch des Sees, der große Schuppi!
Ich war absolut sprachlos, damit hatte wohl niemand gerechnet.
Meinem Kumpel schien es fast ein wenig peinlich, dass er mir meinen Zielfisch praktisch vor der Nase weg gefangen hatte. Einen solchen Fisch mit knapp über 27 Kilo während einer spontanen, Nacht an einem neuen Gewässer im Dezember zu fangen, ist wohl nur schwer zu toppen.
Natürlich war ich ein wenig enttäuscht, dass nicht ich den Fisch gefangen hatte, auf den ich es so lange abgesehen hatte. Alles Andere wäre gelogen. Aber am Ende überwog meine Freude über das große Glück meines Kumpels. Aufgeschoben heißt schließlich nicht aufgehoben, meinen Zielfisch fange ich dann eben beim nächsten Mal. Das gehört zum Karpfenangeln dazu, man muss auch anderen etwas gönnen können
Alles ist möglich
Ich nahm die Geschehnisse als Ansporn. Schließlich hatte mir mein Kumpel gezeigt, was möglich ist. Ich war auf dem richtigen Weg und es wäre nicht das erste Mal, dass ein solcher Fisch zweimal kurz hintereinander gefangen wird. Solange er im Fressmodus bleibt, ist alles möglich.
Ich fütterte von nun an etwas mehr. Statt 300 Gramm alle zwei Tage erhöhte ich meine Futtermenge auf jeweils 500 Gramm. In der Folge fischte ich nur noch Tagessessions. Dafür angelte ich, wann immer ich ein paar Stunden Zeit dafür hatte, egal ob morgens oder abends. Weiterhin ganze Nächte am See zu verbringen machte für mich wenig Sinn. Denn bis auf eine Handvoll Fische hatten zuletzt alle Fische tagsüber gebissen.
Schon in der ersten Tagessession an einem diesigen Nachmittag konnte ich einen schönen Schuppi fangen. Nach dem Fisch packte ich sofort ein und fütterte meine obligatorische Futtermenge. So bekam mein Platz nicht zu viel Unruhe, die übrigen Fische konnten weiterhin mit Vertrauen fressen.
Ich wollte in den nächsten Tagen wiederkommen, um einen neuen Versuch zu starten.
Meine Taktik schien aufzugehen, schon bei meiner nächsten Kurzsession war ich wieder erfolgreich.
Neue Prioritäten
Meine Entscheidung, nur noch tagsüber zu angeln, hatte aber noch einen anderen Hintergrund. Meine Freundin und ich erwarteten zu dem Zeitpunkt ein Baby. Keine Frage, dass sie sich zuhause wohler fühlte, wenn ich nachts bei ihr war.
Und nach meinem letzten Fisch war dann plötzlich alles anders: Unser Baby war da!
Ich musste meine Prioritäten neu zu sortieren, fortan stand unser Familienleben im Vordergrund.
Den Job und eine kleine, junge Familie unter einen Hut zu bekommen ist das Eine, währenddessen genauso weiter zu angeln das Andere. Letzteres war für mich keine Option, denn das wäre egoistisch. Manchmal muss man eben auch zurückstecken, Karpfenangeln ist nicht alles im Leben.
Dennoch: Der große Schuppi ging mir selbstverständlich nicht aus dem Kopf. Ihn wollte ich nach wie vor fangen. Meine Mission ist noch nicht zu Ende.
Hindernisangeln - das beachte ich
Wenn ich so dicht vor Hindernissen angle, bleibt meine Rollenbremse zu. Und mit zu meine ich auch zu. Da geht nichts mehr, nicht ein Zentimeter. Ich habe es schon oft erlebt, dass die Rollenbremse fest eingestellt zu sein scheint und beim Biss fliegen dann doch einige Meter Schnur von der Rolle. Möglicherweise schon ein paar Meter zu viel.
Durch die Dehnung, also in meinem Fall dem gewünschten Puffer, hat der Fisch auf der Strecke sicher schon ein bis zwei Meter Spielraum. Die Strecke muss einkalkuliert sein. Ich muss also sicher sein, dass wenn ich einen Fisch hake, er nicht bis in die Äste schwimmen kann. Wenn ich die Rute aufnehme sollte ich versuchen den Fisch vom Hindernis wegzubekommen, indem ich ein paar Meter nach hinten laufe. Allein mit der Rute wird es schwer, den Fisch aus dem Gefahrenbereich zu bekommen, was aber nicht heißt, dass es unmöglich ist.
Wenn ich also wie oben beschrieben vor Hindernissen angele, muss ich mein Material anpassen. Ich verwende eine Rute mit einer Testkurve von 3,25 lbs. und eine Hauptschnur mit einem Durchmesser von 0,43 mm. Die Rute hat mit 3,25 lbs. genug Reserven im Rückgrat, lässt aber auch Fehler zu, die durch eine weiche Spitze abgefangen werden. Meine Hauptschnur hat mit 0,43 mm genug Abriebsfestigkeit und eine ausreichende Knotenfestigkeit, um die Fische vom Gehölz wegzuhalten.
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